Einführung in die betriebliche Finanzwirtschaft
Betriebliche Grundfunktionen
- Zweck eines Unternehmens ist Erstellung und Absatz von Leistungen
- Sach oder Dienstleistungen
- Leistungserstellungsprozess umfasst betriebliche Grundfunktionen
- Beschaffung
- Produktion
- Absatz
- Unternehmen beschaffen
- Faktoreinsatzgüter (Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe) auf Beschaffungsmärkten
- Kapital auf Finanzmärkten
- erstellen im Produktionsprozess betriebliche Leistungen
- setzen produzierte Güter und Dienstleistungen auf Absatzmärkten ab
Leistungs und Finanzbereich
- auf Beschaffungsmärkten Güter und Dienstleistungen erwerben, die in Leistungserstellungsprozess eingehen
- Leistungsbereich umfasst gesamten Prozess der Leistungserstellung und sämtliche Güter, bzw. Dienstleistungsströme, die durch Unternehmen fließen
- Ergebnis der Leistungserstellung sind Güter bzw. Dienstleistungen, die Unternehmen auf Absatzmärkten anbietet
- Verantwortung des Finanzbereiches sind Zahlungsströme, die entgegengesetzt zu den Güter und Dienstleistungsströmen verlaufen
- zur Realisierung der Leistungserstellung benötigt Unternehmen finanzielle Mittel, werden an Finanz- und Kapitalmärkten aufgenommen. _Finanz- und Kapitalmärkte dienen dazu, den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung zu finanzieren.
Kreislauf finanzieller Mittel
Zahlungsströme
Funktionen der betrieblichen Finanzwirtschaft
- Hauptaufgabe der betrieblichen Finanzwirtschaft ist es, die
Zahlungsströme zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Diese
Hauptaufgabe lässt sich in die drei Funktionen Investition,
Finanzierung und Finanzdisposition untergliedern
- Finanzierung
- Bereitstellung von finanziellen Mitteln jeder Art
- zur Durchführung der betrieblichen Leistungserstellung und Leistungsverwertung
- und bestimmter außerordentlicher finanztechnischer Vorgänge
- Gründung
- Kapitalerhöhung
- Fusion
- Umwandlung
- Sanierung
- auf der Passivseite der Bilanz
- Investition
- Verwendung von Kapital
- längerfristige Bildung finanzieller Mittel in Vermögenswerten
- auf der Aktivseite der Bilanz
- Finanzdisposition
- unter Beachtung der optimalen Liquidität den Zahlungsverkehr abzuwickeln und über Zahlungsmittelbestände zu disponieren
- Finanzierung
Finanzierung und Investition
Begriffe Vermögen und Kapital
- Anlagevermögen
- Gesamtheit aller Vermögenselemente, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen
- Umlaufvermögen
- Vermögensgegenstände, die nicht dauernd dem Geschäftsbetrieb dienen sollen (Vorräte, Forderungen, Zahlungsmittel)
- Eigenkapital
- Die Teile des Kapitals, die dem Unternehmen von den Eigentümern zu Verfügung gestellt worden sind
- Fremdkapital
- Die Teile des Kapitals, die dem Unternehmen von den Gläubigern zu Verfügung gestellt worden sind
Investition und Finanzierung – ein Überblick
- Investition
- längerfristige Bindung finanzieller Mittel in materiellen oder immateriellen Objekten
- Investitionsprojekte
- verursachen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Aus und Einzahlungen, wobei eine Investition immer mit einer Auszahlung beginnt
- Finanzierung
- Beschaffung und Disposition von Kapital
- Finanzierungsmaßnahmen
- verursachen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Ein und Auszahlungen, wobei eine Finanzierung immer mit einer Einzahlung beginnt
Interdependenzen zwischen Investition und Finanzierung
Finanzdisposition / Zahlungsverkehr
- Aufrechterhaltung der Liquidität wird auch als Wahrung des finanziellen Gleichgewichts bezeichnet
- Ist eine unbedingt einzuhaltende Nebenbedingung, bei deren Verletzungen die Existenz des Unternehmens bedroht
- Jede Mittelverwendung hat eine Mittelbeschaffung zur Vorraussetzung
Wechselwirkungen zwischen Finanzierung, Investition und Liquidität
- Aus der Planung und Entscheidung bezogen auf ein konkretes Investitionsobjekt geht der Kapitalbedarf hervor, der im Rahmen der anstehenden Finanzierung zu decken ist.
- Mit der Finanzierung (1.) wird vor Beginn der Investition das erforderliche Kapital bereitgestellt. Dieses Kapital kann bspw. für die Investitionsauszahlung genutzt werden. Dadurch wird liquides Kapital gebunden.
- Der aus den Investitionsrückflüssen zu erwartende Zufluss an liquidem Kapital steht zur Verfügung, um die im Rahmen der Finanzierung zu veranlassenden Kapitalrückerstattungen (z.B. Zins und Tilgung) zu ermöglichen
Ziele der betrieblichen Finanzwirtschaft
Ziele von Unternehmen
- Sachziele
- Art und Umfang des Leistungsangebotes
- Sozialziele
- leistungswirtschaftliche Ziele, auf die im Unternehmen tätigen Menschen sowie Unternehmensumwelt ausrichten
- Finanzziele
- finanzielle Unternehmenserfolg quantifizieren, bswp. langfristige Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinns
Stakeholder von Unternehmen
- Stakeholder = Interessengruppen
- erbringen eine jeweils Leistung und erheben im Gegenzug entsprechenden Anspruch an Unternehmung
Shareholder-Value-Ansatz
- Finanzwirtschaftliches Oberziel erwerbswirtschaftlicher Unternehmen:
- Langfristige Steigerung des Unternehmenswertes
Interessenkonflikte der Stakeholder
- Welche Interessengruppe bestimmt das Ziel der Unternehmung und welches Ziel wählt sie aus?
- aus finanzwirtschaftlicher Sicht wird Ziel von Eigentümern festgelegt
- tragen das größte finanzielle Risiko
- sind in marktwirtschaftlichen Systemen die einzigen, die in letzter Instanz entscheiden dürfen
- aus finanzwirtschaftlicher Sicht wird Ziel von Eigentümern festgelegt
Gewinnmaximierung versus Wertmaximierung
- Gewinnmaximierung
- statisch
- kurzfristig
- vorhandenen Produktionsfaktoren sollen möglichst effizient eingesetzt werden, um möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften
- bswp. Verzicht auf Forschung und Entwicklung, oder Verkauf von Betriebs und Geschäftsausstattung kurzfristig Gewinn steigern
- Wertmaximierung
- dynamisch
- langfristig
- betrachtet nicht nur Gewinn eines Jahres, sondern auch aller Folgejahre
- unter zur Verfügung gestelltem EIgenkapital unter Berücksichtigung des Risikos möglichst viel Gewinn erwirtschaften
- Forschung und Entwicklung, oder Investitionen in Betriebs und Geschäftsausstattung kann kurzfristig Gewinn schmälern, aber mittel bis langfristig steigern
Finanzwirtschaftliches Entscheidungsdreieck
- Oberziel der langfristigen Unternehmenswertsteigerung
- Erhöhung der Rentabilität
- Sicherung der Liquidität
- Gewährleistung der finanziellen Sicherheit
- Gewährleistung der finanziellen Unabhängigkeit
Wichtige Rentabilitätskennzahlen
Die Rentabilität (auch als Rendite bezeichnet) informiert über die Höhe der Verzinsung (und damit über die Effizienz) des unternehmerischen Kapitaleinsatzes
- Ziel der Rentabilität leitet sich direkt aus Ziel der Unternehmenswertsteigerung ab, da Unternehmenswert nur gesteigert werden kann, wenn Investitionsrendite über Kapitalkosten liegt
- Rentabilität ist zentrale Größe für Einschätzung des Unternehmens, arbeitet es rentabel, kann es …
- Eigenkapital bilden
- Eigen und Fremdkapitalgeber bedienen
- Eigen und Fremdkapital beschaffen
- in schwieriger Wirtschaftslage behaupten
Rentabilitätskennzahlen
- zeigen Zusammenhang zwischen Erfolg und dazu notwendigen Basis
- relative Kennzahlen
- im Vergleich zu absoluten Kennzahlen wir Gewinnen durch höhere Aussagekraft und Vergleichbarkeit aus
- absolute Größen sagen wenig aus, erst in Zusammenhang mit eingesetztem Kapital oder ähnlichen sinnvoll
- Einsatz Gesamtkapital 400.000 EUR = Gesamtkapitalrentabilität 12,5 %
- Einsatz Gesamtkapital 1 Mio. EUR = Gesamtkapitalrentabilität 5 %
- relative Kennzahlen
\[ Eigenkapitalrentabilität = \frac{Jahresüberschuss}{Eigenkapital} \newline Gesamtkapitalrentabilität = \frac{Jahresüberschuss + FK-Zinsen}{Gesamtkapital} \]
- Eigenkapitalrentabilität
- ermittelt Verzinsung die mit dem von Eigentümern zur Verfügung gestellten Eigenkapital erwirtschaftet wird
- Bezugsgröße ist Eigenkapital
- Erfolgsgröße ist Gewinn, der Eigentümern zusteht (nach Abzug der Fremdkapitalzinsen)
- Gesamtkapitalrentabilität
- ermittelt Verzinsung auf investierte Kapital
- Bezugsgröße ist Gesamtkapital, Eigen und Fremdkapital
- Erfolgsgröße ist Gewinn vor Zinsen
Unterschiedliche Bedeutungen von Liquidität
- Liquidität als jederzeitige Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens. Ein Unternehmen ist liquide, solange zwingend fällige Zahlungsverpflichtungen gegenüber Lieferanten, Arbeitnehmern, Gläubigern, etc. termingerecht und betragsgenau erfüllt werden können.
- „als zeitlicher Abstand des betreffenden Gutes vom Geldzustand.“ Liquidität also die Geldnähe eines Vermögensgegenstandes (wie lange dauert es, um einen Vermögensgegenstand in Zahlungsmittel umzuwandeln?) - Rückfluss der in ihnen gebundenen finanziellen Mittel, wenn sie ihrem Zweck entsprechend im Produktionsprozess eingesetzt werden - Vorzeitig veräußert, d.h. bevor sie das mit ihnen verfolgte Ziel erreicht haben
- In der Bilanz ausgewiesene liquide Mittel (liquide Mittel als Liquiditätsreserve – Kassenbestand, Bankguthaben, nicht ausgenutzte Kreditlinien)
Vgl. Pape (2018), S. 21; Wöhe et al. (2013), S. 26
- Aufrechterhaltung der Liquidität ist dominierendes Ziel der betrieblichen Finanzwirtschaft
- wenn Unternehmen nicht jederzeit in der Lage ist Zahlungsverpflichtungen termingerecht und in voller Höhe nachzukommen, ist es illiquide
- Illiquidität führt letztlich zum Konkurs und damit zum Ende des Unternehmens.
Kurz- und mittelfristige Liquiditätskennzahlen
- werden aus der Bilanz abgeleitet
- verlieren mit jedem Tag nach Bilanzstichtag an Aussagekraft
- kann im Periodenvergleich Entwicklung der Liquidität darstellen
- auch zum Unternehmensvergleich geeignet
Liquidität 1. Grades
zu wie viel Prozent ein Unternehmen kurzfristige Verbindlichkeiten durch zur Verfügung stehende Zahlungsmittel begleichen kann
\[ Barliquidität = \frac{Liquide \ Mittel \ (Kasse + Bankguthaben)}{Kurzfristige \ Verbindlichkeiten} \]
Liquidität 2. Grades
zu wie viel kurzfristige Verbindlichkeiten durch zu Verfügung stehende Zahlungsmittel und Kundenanforderungen gedeckt sind
\[ Kurzfristige Liquidität = \frac{Liquide \ Mittel + kurzfristige \ Forderungen}{Kurzfristige \ Verbindlichkeiten} \]
kurzfristige Forderungen: Umlaufvermögen ./. Vorräte u. sonst. Vermögensgegenstände
Liquidität 3. Grades
erweitert die zur Befriedigung kurzfristiger Verbindlichkeiten als verfügbar anzusehenden Mittel neben Barbeständen, Bankguthaben und kurzfristigen Forderungen um Vorräte
\[ Mittelfristige Liquidität = \frac{Liquide \ Mittel + kurzfr. \ Ford. + Vorräte}{Kurzfristige \ Verbindlichkeiten} \]
Vorräte: ./. Teile der Vorräte, die voraussichtlich nicht innerhalb eines Jahres liquidiert werden können ./. Vorräte, die durch Kundenanzahlungen gedeckt sind
Zielkonflikt zwischen Liquidität und Rentabilität
Rentabilität und Liquidität sind konkurrierende/konfliktäre Ziele
Erhöhung der Rentabilität erfordert hohe Investitionsrate
- wirkt sich negativ auf Liquidität aus
- niedrige Investitionsrate erhöht Liquidität, sorgt aber nicht zur Steigerung der Rentabilität
hoher Bestand finanzieller Mittel aus Liquiditätsgründen sinnvoll
- aber üblicherweise nicht nennenswert verzinst
- stärkt zwar Zahlungsfähigkeit, jedoch negative Auswirkung auf Rentabilität
durch Inflation kann Teil des Vermögens bei hoher Liquiditätshaltung verloren gehen
Zielkonflikt zwischen Liquidität und Sicherheit
- Investitionen mit hoher Rentabilität sind häufig risikoreich
- Sichere Anlagen sind im Allgemeinen weniger ertragreich
- Eine hohe Liquidität erhöht zwar die Sicherheit, senkt jedoch die Rentabilität
Unabhängigkeit / Zielkonflikt zwischen Unabhängigkeit und Aufnahme von Kapital
Zeil ist unternehmerische Dispositionsfreiheit zu erhalten
typischerweise kein Hauptziel sondern Nebenbedingung, Ergänzung, finanzwirtschaftlichen Handelns
Kapitalgeber verlangen für Kapitalüberlassung Informations und Mitspracherechte
sind bei Aufnahme neuer Eigentümer umfangreicher als bspw. bei Kreditfinanzierung
Allerdings verlangen auch Kreditgeber bestimmte, von Art und Umfang des Kredites abhängige, Informations- und Kontrollrechte
Dispositionsfreiheit wird durch die Stellung von Sicherheiten vermindert
Fazit
Die finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen haben der allgemeinen Unternehmenszielsetzung „Maximierung des Marktwerts des Eigenkapitals (Shareholder Value)“ zu dienen.
- Es Gilt
- Ableitbares Ziel von Investitionsentscheidungen: Möglichst rentable Verwendung des Eigen- und Fremdkapitals
- Ableitbares Ziel von Finanzierungsentscheidungen: Möglichst günstige Aufnahme von Eigen- und Fremdkapital
- Weitere Ziele (inkl. Zielkonflikten): Sicherstellung der Liquidität, Gewährleistung der Sicherheit und der Unabhängigkeit